Industriearbeit der Zukunft – Spannende Aufgaben für Mensch und Maschine

Digitalisierung in der Industrie – das bedeutet technologischer Umbruch mit Auswirkungen auf Ausbildung und Arbeit. Mensch und Maschine werden in Zukunft noch enger miteinander kommunizieren. Was bedeuten diese Entwicklungen für Unternehmen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Der Auftakt der Veranstaltungsreihe „Zirp um 8“ bot Gelegenheit, sich zum Thema „Industriearbeit der Zukunft – spannende Aufgaben für Mensch und Maschine“ auszutauschen. Dazu diskutierten Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz, die Arbeitswissenschaftlerin Professorin Verena Nitsch, der Schulleiter der David-Roentgen-Schule, Dirk Oswald, und Frank Berssem, Koordinator für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz von Thyssenkrupp Rasselstein.

Schlüssel liegt in Qualifizierung und Weiterbildung

“Neu an den derzeitigen technologischen Entwicklungen ist ihre Dynamik. Die Digitalisierung beeinflusst unseren Alltag auf allen Ebenen und täglich kommen neue Anwendungen hinzu“, so Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler. Digitalisierung dürfe jedoch nicht angstbesetzt sein: „Ich wünsche mir eine Balance zwischen Negativszenarien und der rosaroten Brille.“ Die Landesregierung werte Studien zum Arbeitsmarktwandel aus und entwickle zurzeit den „Masterplan Zukunft der Arbeit“ mit Vertretern der Wirtschaft, Gewerkschaften und Arbeitsagentur.

Qualifizierung und Weiterbildung haben eine Schlüsselrolle innerhalb von Arbeit 4.0, so die Ministerin. Sie sprach sich für passgenaue Weiterbildungsprogramme aus, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern veränderte und neue Tätigkeitsbereiche zu eröffnen. Die Kompetenzen könnten nicht früh genug vermittelt werden:

„Wir müssen die Kinder schon in der Grundschule an Technik heranführen und den verantwortungsvollen Umgang fördern. Auch die weiterführenden und berufsbildenden Schulen müssen ihre Angebote an die Digitalisierung anpassen“,

verdeutlichte Bätzing-Lichtenthäler. Sie verwies als positives Beispiel auf den Veranstaltungsort, die David-Roentgen-Schule in Neuwied mit ihrem Projekt „Industrie4.0@school“. Digitalisierung in Industrieberufen konnte live erlebt werden: thyssenkrupp Rasselstein hatte eine Anlage zum virtuellen Schweißen zur Verfügung gestellt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzen das Angebot rege.

Menschenzentrierter Technikeinsatz – nicht umgekehrt

Professorin Verena Nitsch, Leiterin des Instituts für Arbeitswissenschaft in Aachen, betonte die Bedeutung des Menschen in der Arbeitswelt 4.0:

„Automatisierung gibt es nicht erst seit gestern. Und dennoch bleibt der Menschen unentbehrlich, weil er sich durch Flexibilität, Kreativität, Empathie und Innovation auszeichnet.“

Der wirtschaftlich-technische Strukturwandel könne Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Zukunft Routinearbeiten oder körperlich schwere Tätigkeiten abnehmen und Abläufe verbessern – beispielsweise durch Assistenzsysteme, Infomanagement und neue Möglichkeiten der Teilhabe. Wichtig sei es, den Technikeinsatz auf den Menschen zu zentrieren. „Wir müssen uns Gedanken über die Art und Weise machen, wie wir digitalisieren wollen. Wenn wir einen technikzentrierten Einsatz von Menschen wählen, wird das gleichzeitig zu Unter- und Überforderung führen“, erklärte die Wissenschaftlerin. Es müsse verhindert werden, dass Fachkräfte nur noch „Resttätigkeiten“ übernehmen und Hochqualifizierte von der Komplexitätsdichte der technischen Möglichkeiten überfordert werden.

Azubis sind motiviert für neue Technologien

Frank Berssem berichtete von seinen Erfahrungen bei thyssenkrupp Rasselstein. Beim Umgang der Azubis mit den neuesten Entwicklungen zeigte er sich optimistisch.

„Ich erlebe die Auszubildenden als hoch motiviert, talentiert und begeisterungsfähig. Oft sind sie den Ausbildern in technologischen Fragen voraus“,

sagte Berssem. Seiner Ansicht nach sei die Industrie gefordert, auch die Ausbilderinnen und Ausbilder auf dem neuesten Stand zu halten, Optimierungsprozesse voranzutreiben und veränderte Kundenwünsche – beispielsweise verstärkte Transparenz – aufzugreifen. Er sehe die Geschäftsleitungen in der Verantwortung, diese Veränderungen zusammen mit den Arbeitnehmern und den Sozialpartnern anzugehen. Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler bekräftigte die Unterstützung der Unternehmen durch die Landesregierung: „Der Handlungsbedarf ist in unseren Köpfen angekommen. Wir haben das Ziel, besonders kleinere Betriebe im technologischen Wandel zu begleiten.“

Die Chancen der Digitalisierung gemeinsam nutzen

Der Schulleiter der Berufsbildenden Schule in Neuwied, Dirk Oswald, betonte die vielfältige Chance, die aus der engen Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Auszubildenden und Ausbildungsbetrieben entstehen. Die David-Roentgen-Schule stellt sich den Herausforderungen, die sich aus der Digitalisierung der Industrie ergeben – gemeinsam mit den dualen Partnern in langfristig angelegt Projekten.

Ein herausragendes Beispiel ist hier das 2014 initiierte Projekt „Industrie4.0@school“ der David-Roentgen-Schule. Hier handelt es sich um ein selbstentwickeltes, real funktionierendes Industrie 4.0 – Produktionsszenario. In diesem interaktiven Lernprojekt lernen die Schülerinnen und Schüler Arbeitsweise und Philosophie von Industrie 4.0 kennen und erwerben die erforderlichen Kompetenzen für die zukünftigen Prozesse der Arbeitswelt.

„Wir haben das technische und pädagogische Know-how, um Konzepte wie Industrie4.0@school zu entwickeln. Wir können den jungen Menschen und der regionalen Wirtschaft das bieten, was sie brauchen. Aber wir brauchen Unterstützung, um dieses Niveau flächendeckend zu implementieren.“

Die Diskutanten waren sich einig: Clever eingesetzt, könnten digitale und technische Anwendungen den Menschen unterstützen und zu mehr Arbeitsmarktintegration und eine längere Erwerbsfähigkeit führen. Gleichzeitig könne die Souveränität der Arbeitnehmer durch flexible Arbeitszeiten- und -orte gestärkt werden.