ZIRP um 8: Wie die Digitalisierung das Unternehmen verändert

Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf mein Unternehmen? Wer begleitet mich auf dem Weg zu Industrie 4.0? Wie passe ich angesichts der Veränderungen im Markt mein Geschäftsmodell an? Wie kann ich Geschäftsprozesse optimieren? Und welche Möglichkeiten bietet die Zusammenarbeit mit Startups? Das sind nur einige von vielen Fragen, vor denen Unternehmen und Handwerksbetriebe im digitalen Zeitalter stehen.

Darüber, wie die Digitalisierung das Unternehmen verändern wird, diskutierten Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik beim Auftakt der Veranstaltungsreihe „ZIRP um 8“ am 7. Dezember 2016 im Erbacher Hof in Mainz.

Digitalisierung hat großes Potenzial

Vor rund 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmern betonte Ministerpräsidentin Malu Dreyer das große Potenzial der Digitalisierung für die rheinland-pfälzischen Erfolgsbranchen. „Für den Industriestandort Rheinland-Pfalz ist Digitalisierung eines der Kernthemen der wirtschaftlichen Zukunft. Unser Wohlstand wird sich auch daran entscheiden, ob wir die Dynamik der Digitalisierung in der Wirtschaft mitgehen und auch Vorreiter sein können.“ Deshalb gibt die Landesregierung der digitalen Entwicklung eine große Priorität. „Alle Ministerien arbeiten an der digitalen Strategie des Landes. Diesen Prozess gestalten wir interaktiv mit vielen Diskussionsforen und Veranstaltungen. Wir laden auf unserer Plattform „Rheinland-Pfalz digital“ dazu ein, Anregungen zu geben und Fragen zu stellen.“

Darüber hinaus fördere die Landesregierung mit ihrer  Innovationsstrategie insbesondere auch die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft. Lehrstühle, Cluster, Medien- und IT-Netzwerke sowie Wissens- und Technologietransfer bieten in Rheinland-Pfalz sehr gute Möglichkeiten, die Digitalisierung in Wissenschaft und Praxis voranzutreiben: „Wir haben im Land auch hervorragende Voraussetzungen, Digitalisierung in Industrie und Dienstleistung umzusetzen: Wir sind ein Produktionsstandort und zugleich interdisziplinär vernetzt in der Softwareentwicklung, im Ingenieurwesen und Maschinenbau.“

 

 

Industrie 4.0 hat ihre Wurzeln in Rheinland-Pfalz

Mit der SmartFactory Kaiserslautern, dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern und dem Kompetenzzentrum Digitales Handwerk in Koblenz hat Rheinland-Pfalz außerdem besondere Trümpfe bei der Umsetzung von Industrie 4.0. „Industrie 4.0 hat ihre Wurzeln in Rheinland-Pfalz und wir sind auf einem guten Weg, auch in der Anwendung, insbesondere im Mittelstand, erfolgreich zu sein“, betonte Prof. Dr.-Ing. Detlef Zühlke, Vorstandsvorsitzender der Technologie-Initiative SmartFactory KL e.V. Galt der Begriff Industrie 4.0 zunächst als Schlagwort, sei er inzwischen zur Vision geworden. Aus dieser Vision gelte es nun Produkte zu machen – und Geld zu verdienen.

Die Produktion kehrt in die Heimatmärkte zurück

Kundenwünsche lägen dabei vor allem in der Individualisierung von Produkten, wie sie zum Beispiel die Adidas-Speedfactory anbietet, und auf sehr kurzen Lieferzeiten, wie sie derzeit von Amazon in Ballungsräumen getestet werden. Um individuelle Kundenwünsche schnell bedienen zu können, gelte es, näher am Markt zu produzieren. Daraus folge, so Zühlke, eine Rückkehr der Produktion in die Heimatmärkte. Kleine Mengen können so viel schneller produziert und geliefert werden. Den Abbau von Arbeitsplätzen in der Industrie befürchtet er nicht – im Gegenteil. Auch aufgrund des in Deutschland vorhandenen Wissens in der Produktion sieht Zühlke in der Industrie 4.0 eine „rosige Zukunft“.

Herausforderungen sieht er im Schutz von Systemen und Daten. Vertrauen in Systeme müssen entwickelt, Standards geschaffen werden. Der Datenschutz müsse an die neuen Entwicklungen angepasst werden. Die Umsetzung der Digitalisierung insbesondere in kleinen Unternehmen sei oftmals schwierig wegen fehlender personeller Kapazitäten: Es fehlten Vordenker, die an der Vision Industrie 4.0 strategisch arbeiten, denn das Alltagsgeschäft stehe für sie im Vordergrund. Insbesondere kleinere Betriebe müssen daher eher auf der Digitalisierungs-Stufe „2.0“ abgeholt werden. Aufgrund der Ressourcen sei es für größere Unternehmen insgesamt leichter, sich auf die Digitalisierung einzustellen als für kleine Betriebe.

Startups sind wichtiges Rückgrat für den Mittelstand für morgen

Die Digitalisierung verändert aber nicht nur die Art und Weise, wie produziert wird. Sie verändert auch Geschäftsmodelle. Die Analyse von Daten und die Nutzung neuer technologischer Lösungen werden dabei eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle können Startups wichtige Anstöße geben. Für Stephanie Renda, Vorstandsmitglied beim Bundesverband Deutsche Startups und stellvertretende Vorsitzende im Beirat Junge Digitale Wirtschaft beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, „sind der Mittelstand von heute plus die Startups von heute der Mittelstand von morgen.“ Bei der Zusammenarbeit ergebe sich für beide Seiten eine Win-Win-Situation: Stehen Startups für eine neue und schnelle Art, Probleme zu lösen und „Out-of-the-box“ zu handeln, was zur Innovationsfähigkeit eines Unternehmens beitragen kann, erleichtern mittelständische Unternehmen Startups einen Zugang zu Markt und Kunde.

Für mittelständische Unternehmen stellt sich vor allem die Frage: Wo und wie steige ich in die Zusammenarbeit mit Startups ein? Und wie können die richtigen Player zusammengebracht werden? Die perfekte Formel, wie ein gutes Matching gelingen und wie der Weg dorthin geebnet werden kann, sei bislang nicht gefunden worden, so Renda. Um mittelständische Unternehmen und Startups zusammenzubringen, sei ein geschützter Raum sinnvoll, der gute Möglichkeiten biete für gegenseitige Sensibilisierung und Austausch. Dazu kann ein Runder Tisch dienen, eine „digitale Partnerbörse“ oder auch der temporäre Austausch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen von Co-Working. „Man muss die unterschiedlichen Kulturen verbinden,“ betonte Renda. Darunter fallen unter anderem die Präsenzkultur und der unterschiedliche Aufbau von Hierarchien. Dazu müsse auch die Scheu des Mittelstands abgebaut werden.

Unternehmen müssen Kernkompetenzen herausstellen

Unternehmen müssen bereit sein, im digitalen Zeitalter umzudenken und ihre Geschäftsmodelle zu disruptieren. Dafür geben Startups wichtige Anstöße. Es sei essentiell, die Kernkompetenz herauszustellen und zielgerichtet zu agieren. Eine zentrale Rolle wird auch die Frage spielen: Welche Technik nutze ich in meinem Unternehmen für welchen Prozessschritt? So nutze zum Beispiel Bosch für die Vergabe von Aufträgen im Bereich Produktion eine Plattform, über die sich Entwicklerteams weltweit bewerben können. Digitale und globale Workflows schaffen so neue Arbeitsprozesse, in die neue Partner miteinbezogen werden.

Vor dem Hintergrund der sich ändernden Arbeitswelt und in Anbetracht der politischen Entwicklungen in den USA und Europa ist es wichtig, alle Menschen in diesem Wandel der Arbeits- und Lebenswelt mitzunehmen. Der Wandel im Unternehmen müsse vorgelebt werden. „Auf diese Weise können wir Mitarbeitern Ängste nehmen“, so Zühlke. „Wir müssen sie an die Hand nehmen und gemeinsam Wandel schaffen.“

Die nächste Veranstaltung in der Reihe „ZIRP um 8“ findet am 31. Januar 2017 zum Thema „Neue Geschäftsmodelle – Smart, innovativ, vernetzt“ im Kompetenzzentrum Digitales Handwerk West in Koblenz statt. Eine Anmeldung für die Veranstaltung ist per E-Mail unter angelika.praus@zirp.de möglich. Weitere Informationen zur Veranstaltungsreihe und zum Projekt Wirtschaft 4.0 finden Sie unter www.zirp.de